WIE ERKLÄRT SICH DER LANGE WIRTSCHAFTLICHE BOOM DER NACHKRIEGSZEIT?

 

Gleich nach dem Krieg, in den fünfziger Jahren, wurde unter den Marxisten ein für den Otto Normalverbraucher ungewöhnliches Thema diskutiert, das allerdings sehr wichtig ist: wie lange wird dieser expansive Wirtschaftszyklus, der gleich nach dem 2.Weltkrieg begonnen hat, andauern? Und wann wird die nächste durch Überproduktion verursachte Wirtschaftskrise (wie 1929) eintreten, die eine enorme und tiefe Krise verursachen und als Konsequenz dann (wie nach 1929) zu einem weiteren tragischen Krieg mit Unheil und Toten führen wird?

Wieso ist diese komische Debatte unter Marxisten so wichtig?  Wir erklären das.

In der Analyse der kapitalistischen Funktionsweise von Marx - die immer wieder von der Realität bestätigt wird – bewegt sich die Weltwirtschaft in Zyklen: d.h. die langen Zyklen expansiver Wirtschaft wechseln sich mit kurzen, aber intensiven Momenten enormer und tiefer Krisen der Überproduktion ab, in denen es für den Exzess an produzierten Waren nicht genug Nachfrage auf dem Weltmarkt gibt und so ein wirtschaftliches Chaos entsteht, das sich dann  ziemlich bald in militärische Kriege unter konkurrierenden Bürgertümern verwandelt und die Menschheit den bekannten Katastrophen aussetzt. Am Ende jeden Krieges, in dem die Kapitalisten sich gegenseitig zerstört haben (z.B.: nach 1848, nach 1918 oder nach 1945), startet der Wirtschaftszyklus wieder bis zur nachfolgenden schrecklichen Krise der Überproduktion, und immer so weiter. So funktioniert das kapitalistische System.

Auf Grundlage dieser Analyse fragten sich die damaligen Marxisten in den 50er Jahren, nach dem Ende des katastrophalen 2. Weltkriegs und dem erneuten Anlauf des expansiven Zyklus also richtigerweise, wie lange dieser neue Zyklus diesmal andauere.

Einige große Marxisten der “ Kommunistische Linke”, Amedeo Bordiga, Onorato Damen, Paul Mattick und Anton Pannekoek sahen das Auftreten der zukünftigen weltweiten Krise der Überproduktion in den folgenden 70ern. Andere Marxisten wie Arrigo Cervetto und Lorenzo Parodi (die Gründer der Lotta Comunista) sagten die zukünftige Krise der Überproduktion für später vorher, sehr viel später.  

 

 

Wie kommt es zu so unterschiedlichen Einschätzungen zwischen den Großen des Marxismus? Auf welchen unterschiedlichen Annahmen gründeten sich die verschiedenen Kalkulationen?

Für die Marxisten Bordiga, Damen, Mattick und Pannekoek hätte sich die Krise der Überproduktion in den folgenden 70er Jahren präsentiert, weil dies die notwendige Zeitspanne war, damit sich die vom Krieg zerstörten europäischen Wirtschaften und auch die japanische erholten und ihren inländischen Markt wieder aufbauen konnten. Dann hätten sie wieder begonnen Produkte auf den Weltmarkt zu exportieren und auf dem internationalen Markt, wie nach dem 2.Weltkrieg, allmählich eine Situation eines Warenüberhangs gegenüber der Nachfrage zu schaffen, das hätte dann die Krise verursacht. Dies war die Überlegung, auf der die Vorhersage der großen Marxisten der “Kommunistische Linke“ gründete.

Die Marxisten Cervetto und Parodi waren anderer Ansicht. Natürlich hätten auch für sie die europäischen Länder und Japan, die durch den 2.Weltkrieg zerstört waren, in den folgenden 70er Jahren ihren “Wiederaufbau der nationalen Ökonomie” abgeschlossen und dann wieder angefangen selbst Waren zu exportieren.  

Aber nach Cervetto und Parodi hätte die Krise der Überproduktion nicht in den 70ern eingesetzt, denn die beiden Marxisten erahnten schon damals, also in den 50er Jahren als eben diese Diskussion lief, dass neue und immense Nationen, vor allem asiatische, auf die Weltbühne treten würden, wohin die europäischen, japanischen und amerikanischen Güter exportiert werden würden, und auf diesen enormen sich entwickelnden Märkten weiterhin verkauft werden könnten und somit Profit generieren würden. Dies würde die Krise der Überproduktion sehr weit nach vorne verschieben, nämlich bis der internationale Markt erneut übersättigt sein würde wegen eines Überangebots an Waren.  

 

HEUTE IST DAS AUFSTREBEN DER ASIATISCHEN MÄCHTE, das Cervetto und Parodi vorhergesehen hatten, WRIKLICHKEIT UND ERKLÄRT, WARUM DER JETZIGE LANGE WIRTSCHAFTSBOOM DER NACHRIEGSZEIT WEITERHIN ANHÄHLT.

 

Die großen Bordiga, Damen, Mattick und Pannekoek hatten diese Gelegenheit sich neu entwickelnder kapitalistischer Märkte in der Welt nicht in Betracht gezogen, daher ist ihre Zukunftsvision der kommenden Krise zum Zeitpunkt des vollbrachten wirtschaftlichen Wiederaufbaus der im 2.Weltkrieg besiegten Mächte stehen geblieben. Danach wäre ihrer Ansicht nach der neue verheerende Einbruch der Überproduktion gekommen, genau wie in der Zeitspanne zwischen den beiden Weltkriegen.

Als korrekt hat sich allerdings die Intuition/Einschätzung von Cervetto und Parodi in den 50er Jahren erwiesen, nach der das Aufkommen der großen asiatischen Wirtschaftsmächte der Zukunft wie China und Indien die Grundlage für das lange Anhalten des aktuellen expansiven Wirtschaftszyklus schaffen würde, und so als Folge daraus auch Milliarden neuer Proletarier auf den Markt bringen würde.    

Was vor 70 Jahren diskutiert wurde ist, wie heute alle sehen können,  AKTUELL und zeigt, wie die marxistische Analyse mit ihren verschiedenen Einschätzungen die Funktionsweise des Kapitalismus korrekt interpretieren kann.

Man muss sich allerdings bewusst sein, dass wir im Kapitalismus leben und uns in einem seiner Zyklen befinden. Vor allem muss es klar sein, dass Zyklen einen Anfang, eine Entwicklung und ein Ende haben (genau so wie es die Marxisten im 19. und 20. Jahrhundert gesehen haben). Wir alle wissen, dass ‘Überproduktion’ das Ende eines Zyklus bedeutet, also Überangebot an Waren, demnach Krise, Chaos und dann … Kapitalistenkriege.

Sobald die großen Wirtschaftsmächte der Welt, USA, Europa, China, Indien, Brasilien und all die anderen mehr Waren auf den Markt ausschütten als die Nachfrage auffangen kann, kommt der Zyklus zu seinem Ende und die kapitalistische Katastrophe wird sich wiederholen.

Aber dies wird auch der Moment sein, wenn die Revolutionen wieder auf die Tagesordnung treten werden.    

 


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