WARUM WIR MARXISTEN UND KEINE ANARCHISTEN SIND

praktische Erfahrungen

 

 

 

Kapitalismus bedeutet nicht nur Wohlstand. Während seiner chaotischen zyklischen Entwicklung produziert er in bestimmten Momenten katastrophale Situationen. Abgesehen davon, dass er auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gründet und dadurch große soziale Ungerechtigkeiten, Hunger und Armut produziert, produziert er auch schwere politische, wirtschaftliche und soziale Krisen, und außerdem Kriege, die unglaubliche Proportionen erreichen können, wie die Geschichte zeigt.

Es ist also normal, natürlich, dass all diese unheilbaren Probleme bei den unterjochten Massen starke Reaktionen hervorruft, und dass sehr aufmerksame, nachdenkliche und akute Menschen Analysen und Studien über das Funktionieren der kapitalistischen Gesellschaft entwickeln sowie Praktiken und politische Strategien ausarbeiten, um sie zu abzuschaffen.

Der Marxismus und der Anarchismus sind zwei Beispiele für diese politischen Strategien, die darauf abzielen, das chaotische kapitalistische System abzuändern.

Die Unterschiede zwischen Marxismus und Anarchismus sind ziemlich bekannt. Wir versuchen hier, die wesentlichen zusammenzufassen: DER STAAT: für die Marxisten ist der Staat nach der Revolution des Proletariats eine Notwendigkeit. Das hat zwei Gründe: erstens wird vorausgesetzt, dass das Bürgertum, also die bezwungenen Reichen, sich absolut nicht ergeben, sich nicht mit dem Verlust der Macht abfinden wollen und alles tun werden, um die Revolution umzukehren und scheitern zu lassen, um erneut an die Macht zu kommen. Also besteht für die Marxisten nach der Revolution absolut die Notwendigkeit, den Staat gegen die schweren Angriffe, die das internationale Bürgertum gegen sie organisieren wird, zu verteidigen, wie die Revolution der Kommune in Paris 1871 und die russische Revolution 1917 gezeigt haben. Zweitens ist der Staat notwendig, damit eine solide staatliche Organisation von Experten (Parteimitglieder oder auch nicht) nach der Revolution die Gesellschaft führen und die Produktion und Verteilung der Produkte leiten können. Für die Anarchisten handelt es sich bei jedweder Staatsform immer um eine Diktatur, und ist deshalb immer zu bekämpfen und abzuschaffen. Falls es sich eine Avantgarde nach der Revolution zur Aufgabe macht, die Massen zu führen, sie zu organisieren um die wirtschaftliche Produktion und Verteilung zu leiten, hört diese Avantgarde für die Anarchisten auf, Teil des Proletariats zu sein, und wird automatisch zur dominanten Klasse, die die Massen beherrscht. Für die Anarchisten muss der bürgerliche Staat durch freie Arbeiterräte ersetzt werden, die auch die Gegenreaktion des Bürgertums abfangen müssen.

DIE PARTEI: für die Marxisten müssen die proletarischen Massen von einer starken und gut organisierten revolutionären Partei geführt werden. Mit Partei ist eine Organisation von Experten in Politik, Wirtschaft, Gesellschaftswissenschaft, Klassenkampf, usw. gemeint, die die aufgebrachten proletarischen Massen in den katastrophalen Momenten des Kapitalismus zur Eroberung der Macht zu führen und diese anschließend zu halten wissen. Die Marxisten gehen davon aus, dass die Massen allein nicht das notwendige Wissen besitzen, nicht im Stande sind die Macht zu erobern, weil sie nicht ausreichend spezialisiert sind in Ökonomie, Politik, Gesellschaftswissenschaft usw. um zu verstehen, wie das System funktioniert, und um die Revolution organisieren, durchführen und bewahren zu können. In der Masse kann sich nur eine kleine Gruppe von Personen, die von der revolutionären Politik angezogen werden (so wie andere Gruppen sich für Medizin, Elektronik oder Physik usw. interessieren), spezialisieren und zu so kompetenten Experten werden, dass sie sich gut organisieren und in den katastrophalen Momenten die aufrührerischen Massen an die Macht führen können. Für die Anarchisten ist jede Form von zentralisierter Parteiorganisation eine Form von Autoritarismus und daher entschieden abzulehnen. Als anarchische Aktivisten sind sie allerdings der Meinung, dass sie das Klassenbewusstsein im Proletariat wecken müssen (d.h. darüber, wie der Kapitalismus den Arbeiter ausbeutet) um ihm auf seinem revolutionären Weg zu unterstützen. Die Anarchisten kämpfen auch aktiv gegen jede Form von Ungerechtigkeit.

Wie man sieht, zwei verschiedene interessante politische Ansichten, die es zu beobachten und zu bewerten gilt. 

UNSERE ERFAHRUNG: WARUM WIR MARXISTEN SIND.

Wir sind nach dem Krieg geboren, wir haben keine Revolution direkt miterlebt und können daher keine direkten Überlegungen darüber anstellen, wie die Massen in revolutionären Situationen reagieren. Sicher ist, dass man aufmerksam beobachten kann und muss, wie die vorangegangenen Generationen unter diesen Umständen operiert bzw. reagiert, und wie sie sich organisiert und mobilisiert haben. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten allerdings die Möglichkeit gehabt, reichhaltig Erfahrungen hinsichtlich des gewerkschaftlichen Kampfes der Massen zu sammeln, Erfahrungen, die uns helfen können zu vergleichen und darüber nachzudenken, wie die Massen sich in Situationen des Klassenkampfes bewegen.

Als Gewerkschaftsaktivisten bemerken wir sofort, wie das Unternehmertum den Staat (d.h. die öffentlichen Organe: Parteien, Regierungen, Parlamente, Presse, Fernsehen, Polizei, usw., die sich zu seinen Gunsten mobilisieren) benutzt, um die Arbeitermassen unterjocht zu halten. Sicherlich, die proletarischen Massen reagieren auf die Schläge, die das Unternehmertum oder die verschiedenen Regierungen und Parlamente gegen sie austeilen. Was sich in diesen Situationen des Kampfes herauskristallisiert ist, dass die Arbeitermassen (weil die Personen, aus denen sie bestehen keine Experten in Politik, Ökonomie, usw. sind und es nicht sein können) Anführer brauchen, dass aus den Arbeitern Führungskräfte hervorgehen, dass Experten die Führung des gewerkschaftlichen Klassenkampfes übernehmen, eines harten Kampfes, der nie aufhört. Ein weiterer Aspekt, der zum Vorschein tritt, ist, dass alle Parteien, ob im Parlament vertreten oder nicht, und alle Organisationen, ob revolutionär oder nicht, versuchen. in den Arbeitergewerkschaften Führungskräfte auszubilden, die sich das Vertrauen der Arbeitermassen verdienen und sie dann führen. Und man kann sehen, dass die Organisationen, die diesen grundlegenden organisativen Aspekt unterschätzen oder vernachlässigen, langsam verschwinden. Wichtig war es auch in den Jahrzehnten zu beobachten, wie sich an den Arbeitsstätten oder in den Gewerkschaften, wo radikale und revolutionäre Aktivisten präsent sind, die Arbeiter langsam aber unerbittlich um diese herum sammeln.

All dies bestätigt, unserer Meinung nach die marxistische Analyse, welche behauptet, dass es unter den Arbeitern eine starke parteiliche Organisation mit Spezialisten an der Spitze braucht, die die Massen führen um das Bürgertum (das super organisiert ist) zu stürzen. Zu glauben, wie die Anarchisten behaupten, dass die proletarischen Massen allein so vorbereitet und kompetent sind, dass sie im Stande wären den Reichen die String zu bieten (die, wie schon gesagt, im Staat unglaublich organisiert sind), zu glauben, dass sie in den revolutionären Momenten allein die Macht ergreifen und halten könnten, ist nach unserer Erfahrung völlig unrealistisch. In den Jahrzehnten unserer intensiven Gewerkschaftstätigkeit in den Fabriken und an den Arbeitsstätten haben wir genau gesehen, dass nur wer straff organisiert ist dem Unternehmer die Stirn bieten kann (da besteht kein Zweifel). Tatsächlich wird die Sichtweise und praktische Politik der Marxisten dadurch bestätigt, dass in den Fabriken, wo Marxisten präsent und gut organisiert sind, ihre Gruppen immer mehr Zulauf finden, während die Anarchisten praktisch von der Bildfläche verschwunden sind.

Der Klassenkampf ist gestern wie heute, wie schon Marx behauptete, eine harte, sehr harte Kraftprobe, die nicht zu unterschätzen und auf die leichte Schulter zu nehmen ist.      

 

"Der kommunistische Kampf"  - Oktober 2016

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