Während dem Kampf der französischen gelben Westen in den europäischen Medien viel Beachtung geschenkt wurde,
lief das hier in Deutschland völlig anders, denn hier wurden sie nur nebenbei erwähnt: “… es wird nicht gewünscht, dass der Protest auch die Deutschen beeinflusst und sich auf Deutschland
ausweitet” haben einige Journalisten entschuldigt. Tatsächlich haben wir während unserer politischen Aktivität im Gespräch mit den Studenten und jungen Menschen zu unserer Überraschung
festgestellt, dass nur wenige von diesem enormen Kampf in Frankreich wussten und kaum eine Ahnung von dessen Gründen hatte. All dies können wir als Versuch der Missinformation durch die
bürgerlichen Medien etikettieren.
Deshalb halten wir es für angebracht richtig über die Gründe zu informieren, die die Franzosen “in den
gelben Westen“ in Massen dazu bewegt haben, solch einen harten und intensiven Kampf zu führen und darüber, wieso der Kampf sich so rapide so weit im ganzen Land ausgebreitet hat.
Schon seit mehr als fünfzehn Jahren beeinträchtigt die Europäische Union in Form der europäischen Finanz
durch die Regierungen, unabhängig von ihrer politischen Prägung, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterfamilien in den Mitgliedstaaten erheblich, auch in Frankreich.
Viele Menschen sind davon überzeugt, dass die Europäische Union eine autonome und national unabhängige
Institution sei mit dem Auftrag, den Wohlstand der europäischen Bevölkerungen zu garantieren. Dem ist aber nicht so. Die Europäische Union ist ein Organismus, der hinter seinem scheinbar
neutralen Namen die Vereinigung der mächtigen europäischen Finanz und Unternehmer versteckt. Er manövriert die Regierungen um die kapitalistischen Interessen dieser Kategorien zu begünstigen aber
sicherlich nicht die Lebensumstände der Arbeiter. So erklärt es sich, dass die verabschiedeten Gesetze immer unweigerlich zu Gunsten der Großfinanz und des Großunternehmertums und nie zu Gunsten
der Proletarier ausfallen. Es erklärt weiterhin, warum die EU selbst entschieden und mit Nachdruck darauf drängt und die Regierungen der Union zwingt die Sozialausgaben für die Familien zu
kürzen, von ihnen verlangt befristete Arbeitsverträge für die jungen Menschen so weit wie möglich auszuweiten und darauf pocht, dass die Löhne und Renten gesenkt und die Steuern für die Familien
erhöht werden.
Nach mehr als 15 Jahren an Verschlechterungen für die europäischen Arbeiter haben sie von dieser Situation
langsam die Nase voll und fangen an zu reagieren. Genau dies passiert gerade in Frankreich.
FRANKREICH: man muss sich vor Augen halten, dass das Land wegen seiner sozial-politischen Geschichte auch “die Mutter der Revolutionen und Kämpfe” genannt
wird. Frankreich ist die Nation der großen bürgerlichen “Französischen Revolution” von 1789, der proletarischen Revolution der “Pariser Kommune” von 1871, und es ist die Nation, von der die
enormen und berühmten Proteste der “68er” und noch viele andere ausgegangen sind. Eine tief in der Bevölkerung wurzelnde Tradition und Psychologie des harten Kämpfens, was sich wiederholt und von
Generation zu Generation weitervererbt. Nun ist den französischen Arbeitern immer klarer geworden, dass den von Europa verordneten Verschlechterungen jetzt oder nie Einhalt zu gebieten
ist.
Wir verfolgen hier einmal die Phasen der verschlechternden EU-Maßnahmen und die kämpferische Antwort der
französischen Lohnabhängigen, die das Land in den letzten zwanzig Jahren geprägt haben.
Ab dem 1.Januar 2002 hat die Europäische Union eine einheitliche Währung und schon zu diesem Zeitpunkt
verkündete die damalige Regierung unter Chirac eine beachtliche Kürzung der Staatsausgaben, sowie einen einschränkenden Plan sozialer Reformen mit erheblichen Beschneidungen bei den Renten. Man
brauchte nicht lange auf die Antwort der Arbeiter zu warten: Während ganz 2002 und zu Beginn 2003 wurde erbittert gestreikt und protestiert.
2006 gab es nochmal einen Generalstreik gegen die Regierung, der sich gegen das CPE wendete, ein höchst umstrittenes Gesetz zur Erstanstellung (das dem Arbeitgeber
erlaubt die jungen Arbeitnehmer unter 26 Jahren nach der Probezeit ohne Grund zu entlassen), der die sozialen Unruhen in Frankreich charakterisierte. Auch noch 2006
verzeichneten wir den ersten harten und intensiven Streik der Eisenbahner, denen es gelang, den Angriff der Regierung auf ihren Arbeitsvertrag abzuwehren.
2010 folgten mehrere extensive Streiks gegen die von der damaligen Regierung Sarkozy vorgelegten Verschlechterungen bei den Renten aufeinander.
2015 fanden lang andauernde Streiks mit Straßensperren seitens der Fernfahrer statt, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen.
2016 gab
es eine erneute große Streikwelle gegen die Arbeitsreform, die nun von der “sozialistischen” Regierung Hollande gewollt war.
2017: 3
Tage Generalstreik mit riesiger Teilnahme. Die Gewerkschaft CGT rief zum Streik gegen die Reform des Arbeitsrechts und gegen die Kürzung des öffentlichen Dienstes
auf.
2018: In den ersten Monaten des Jahres hatten wir den berüchtigten
26-Tage Streik der französischen Eisenbahner gegen die Regierung Macron.
Bis hin zu den aktuellen harten Kämpfen der “gelben Westen” im November
–Dezember.
Eine unendliche Reihe von intensiven und harten Kämpfen also (wenn man genau hinsieht, handelt es sich um
die gleiche soziale Diaspora, der alle europäischen Proletarier ausgesetzt sind, und gegen die sie sich wehren müssen).
Die lange Liste von Streiks und sozialen Unruhen in Frankreich zeigen, dass die Arbeiter dort offensichtlich
an die Grenzen ihres Maßes an Geduld gestoßen sind. Der spontane Gewaltprotest, der eben den Namen “gelbe Westen” bekommen hat und der von einem erneuten Anheben der Benzinsteuer ausgelöst worden
ist, zeigt ganz sicher, dass die Schwelle des Ertragen können erreicht worden ist. Der Kampf ist spontan ausgebrochen, hat sich sofort schnell auf das ganze Land ausgeweitet, und brachte
Straßensperren mit sich sowie die Invasion der Demonstranten von Plätzen und ganzen Städten, bis hinzu gewalttätigen Auseinandersetzungen im ganzen Land, vor allem aber in
Paris.
Der arrogante Macron, von der EU manövriert, hat angesichts dieses unerbittlichen Kampfes am Ende einlenken
müssen. Er hat sich öffentlich bei den Streikenden entschuldigt und auf die Erhöhungen des Benzinpreises verzichtet. In der Zwischenzeit haben sich die Forderungen an die bürgerliche Regierung
allerdings vervielfacht und auf die Renten, Löhne, gegen unsichere Arbeitsverhältnisse usw. ausgeweitet. Der französische Präsident hat daraufhin noch viele weitere Versprechungen machen müssen,
um den Zorn der Bevölkerung zu zügeln und und dem Kampf ein Ende zu machen. Man merke: Nur Versprechungen! Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist noch kein einziges Dekret in Bezug auf die Forderungen
unterzeichnet worden. Also bleibt alles soweit wie bisher. Es ist realistisch anzunehmen, dass der arrogante Präsident, sobald der Kampf der “gelben Westen” abgeflaut ist, auf seinem
“europäischen” Weg gegen die Lohnabhängigen weitermachen wird.
Der Kampf der “gelben Westen” verleiht den europäischen Protesten ohne Zweifel einen wichtigen Wert. Er
zeigt dem europäischen Proletariat hartnäckig, welchen Weg es zu gehen hat um die Verschlechterungen, die die EU-Diktatur gegen die Arbeiter verfolgt, zu stoppen: KÄMPFEN, KÄMPFEN und nochmals KÄMPFEN! Es gibt keinen anderen Weg um die Situation zu verbessern.
Sicherlich nicht durch leere Wahlversprechen der
Parteien.