DAS MISERABLE LEBEN DER WANDERARBEITER IM KAPITALISTISCHEN DEUTSCHLAND

ALLES SORGFÄLTIG VON DEN MEDIEN VERBORGEN

 

IN BESTIMMTEN SEKTOREN DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT IST ALLES SO STILLGESTANDEN WIE ZU BEGINN DES 20. JAHRHUNDERTS 

„Eine wesentliche These unseres Buches, die man überprüfen und weiterführen müsste, dass Aufenthaltsrecht und prekäre Arbeit in Deutschland einer der wesentlichen Motoren für die multiple Prekarität ist, weil es Leute in Positionen bringt, in denen sie alles mögliche akzeptieren müssen, um formal als Erwerbsarbeitende existieren zu können.“ – Dr. Peter Birke 

(Isabel Fannrich-Lautenschläger - “Deutschlandfunk” - 20.01,2022)

Die Tatsache, dass ein Land hoch industrialisiert ist, bedeutet nicht, dass es auch ein zivilisiertes Land in seinen Beziehungen zu den arbeitenden Massen ist. Sobald die Kapitalisten nämlich die Möglichkeit haben, führen sie zur Gewinnmaximierung die sehr harten und brutalen Arbeitsbedingungen des 19. Jahrhunderts wieder ein.

Heute, in den 2020er Jahren, wird diese grausame Arbeitssituation des 19. Jahrhunderts in Europa, vor allem aber im kapitalistischen Deutschland, den Massen von Einwanderern aufgezwungen, die millionenfach, fast unsichtbar, in Fabriken und im Netz der Wirtschaftsstruktur unzähliger kleiner Unternehmen produzieren. 

Die Presse und die Informanten, die eng mit der politischen Welt verbunden sind und offensichtlich mitschuldig sind, sind hartnäckig damit beschäftigt, diese peinliche Realität systematisch zu verschleiern, um im Gegenteil eine deutsche öffentliche Gesellschaft der Rechten, der Gleichen, der Nicht-Diskriminierten zu präsentieren. Tatsächlich gibt es für diesen nicht unbedeutenden Wirtschaftsbereich keine staatlichen Daten oder Statistiken über Arbeit, keine wissenschaftliche Forschung oder Berichterstattung, während es für die anderen Bereiche der deutschen Produktionsgesellschaft reichlich Material gibt.

Da darüber nicht berichtet wird, weiß niemand offiziell was in den deutschen Fabriken den Migranten passiert, wie sie behandelt werden, welche ihre wahren Arbeitsbedingungen sind, in den unzähligen kleinen Betrieben, in den Hinterzimmer von Geschäften oder auf dem Lande. Was sind eigentlich ihre Löhne und in welchen hygienischen Bedienungen arbeiten sie? Und wie leben ihre Familien ? Das organisierte soziale Schweigen über diesen Teil der Gesellschaft, die Wert und Reichtum produziert, ist beschämenderweise fast flächendeckend.

 Um dieses enorme soziale Drama zu verschleiern, versucht die offensichtlich kohärente Mainstream-Presse auf jede erdenkliche Art und Weise, den Fokus neben den Themen Wirtschaft und Politik auf frivole Mode- und Showbusiness-Events, die beleidigenden sentimentalen Streitereien zwischen ungestümen und verwöhnten Schauspielern und Modepersönlichkeiten und ähnlichen Unsinn zu lenken.  Aber von dem äußerst harten und unzivilisierten Leben, das den Einwanderern vorbehalten ist, und den endlosen Schikanen und Ungerechtigkeiten, denen diese Menschen ausgesetzt sind, ist in der Presse und in den Berichten keine Rede. Hier zeigt sich die beschämende Komplizenschaft heuchlerischer Journalisten, die vorgeben, frei zu denken und emanzipiert zu sein, mit rasenden, geldgierigen Chefs, und das alles in Verbindung mit willfährigen Politikern.

Diejenigen, die sich in Deutschland mit dieser umstrittenen sozialen Frage befassen, die ihre erbärmlichen Widersprüche, all die Ausflüchte und Schikanen anprangern, sind neben marxistischen Organisationen auch Gewerkschaften und humanitäre Verbände.

Und die Zeugnisse berichten, die nackte Realität sagt uns, dass heute im kapitalistischen Deutschland, genauso wie gestern im England des frühen 19. Jahrhunderts, Einwanderer und viele junge Menschen, wenn sie Arbeit finden wollen, diese im Wesentlichen im Dschungel der prekären Jobs, in umstrittenen befristeten Verträgen oder im großen Meer der Schwarzarbeit finden. Wo sehr oft die Arbeitsvorschriften nicht eingehalten werden (und manchmal nicht einmal berücksichtigt), ebenso wie die Lohnzahlungen und die Sicherheitsvorschriften. Und dass die vielen Einwanderer (und jungen Menschen), die unter diesen Bedingungen arbeiten und sich in prekären - oft extremen - Situationen befinden, ständig mit einer sofortigen Entlassung erpresst werden. So müssen sie all die oben erwähnten zahllosen Ungerechtigkeiten und Schikanen erdulden, während die Bosse die brutale Situation ausnutzen, um unersättlich immer mehr Geld anzuhäufen.

Um dieses verborgene, unterirdische, aber umfangreiche Produktionsumfeld der deutschen Wirtschaftsstruktur zu erforschen und zu untersuchen, schreibt Isabel Fannrich-Lautenschläger den Artikel "Prekäre Beschäftigung in Deutschland - Ausgrenzung durch Arbeit" vom 20.01.2022 (sitoweb "Deutschlandfunk"). Die Aufmerksamkeit auf zwei besondere Sektoren lenken, die von dieser kapitalistischen Geißel der Superausbeutung durch die Arbeitgeber betroffen sind: die Fleischindustrie und die Hauszustellung. Diese sind die wichtigsten Punkte ihrer Analyse: „Die Fleischindustrie, das sind ganz moderne, sehr schnell expandierende Betriebe. Man ist da ganz klar im Zentrum der technologischen Entwicklung. Und trotzdem gibt es da Arbeitsbedingungen, die dazu führen, dass 100 Prozent der Beschäftigten, fast 100 Prozent in vielen Bereichen, keinen deutschen Pass haben und gezwungen sind, sich auf diese Arbeitsbedingungen zumindest für eine Zeit einzulassen. Und diese Gleichzeitigkeit von enormer ökonomischer Expansion und Ausbeutung, das hat uns erst mal interessiert.“ Fannrich-Lautenschläger geht dann weiter und zitiert Peter Birke: „Es geht jedoch um mehr als prekäre Arbeit, betont Peter Birke. Migranten und Migrantinnen leben in multipler Prekarität, das heißt, die Arbeits- und Lebensverhältnisse insgesamt sind unsicher und erlauben keine Zukunftsplanung. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Aufenthaltstitel für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft.“

Gerade das Fehlen der von den deutschen Behörden nicht erteilten "Aufenthaltsgenehmigung" macht diese ausländischen Arbeitnehmer für die deutschen Unternehmen, die sie in ihren Betrieben beschäftigen, so erpressbar, stellt Peter Birke klar. Da man betonen muss, dass diese Menschen ohne "Aufenthaltsgenehmigung" keine Rechte auf deutschem Boden haben, ist es für den deutschen Staat so, als ob sie nicht existierten, also müssen sie alles akzeptieren, sich allem unterwerfen, was ihnen auferlegt wird. Das ist der Trick, den die deutschen Unternehmen im Einvernehmen mit der 

deutschen Regierung anwenden, um diese Arbeitnehmer bis auf die Knochen auszuquetschen und  die Gewinne in die Höhe zu treiben. 

Und um besser zu verdeutlichen, welche realen Arbeitsbedingungen diese Hunderttausende von Einwanderern im kapitalistischen Deutschland ertragen müssen, gibt Fannrich Lautenschläger das Zeugnis von Valentina und Rafael wollen ihre richtigen Namen nicht nennen aus Angst vor einer Kündigung. Sie sind in der Fleischindustrie beschäftigt. »Ich wollte etwas besser verdienen, weil ich zwei Kinder habe, die ich unterstützen möchte. Ich bin durch einen inoffiziellen Vermittler hierher gekommen, meine Kinder sind in Rumänien“ Fährt  Isabel Fannrich-Lautenschläger fort: Ihre Arbeit am Band und oft an mehreren Maschinen gleichzeitig empfinden beide als hart. Besonders stresse sie die unregelmäßige Arbeitszeit: »Wir haben darüber keine Kontrolle. Wer in der zweiten Schicht arbeitet, weiß, wann er anfängt – aber nicht, wann die Schicht zu Ende ist. Noch schlimmer ist es in den Ferien und in der Weihnachtszeit, wenn viel Fleisch nachgefragt wird. Wir müssen dann zum Beispiel um drei Uhr nachmittags anfangen zu arbeiten und bis morgens um 4 Uhr durchhalten. Besonders schwer ist es samstags, wo wir besonders viel arbeiten müssen. Dann haben wir nur den Sonntag, um uns zu erholen. 

Montags dagegen gibt es manchmal nicht so viel zu tun, und wir müssen früher nach Hause gehen.« (…) »Ich sollte normalerweise eine Prämie dafür bekommen. Aber ich bekomme sie nicht, und ich bin auch nicht an der Maschine eingearbeitet worden. Ich habe mir das selbst beigebracht. Laut Vertrag verdienen wir elf Euro pro Stunde. Aber die Stunden, die wir arbeiten, werden nicht alle bezahlt«. Die Arbeitsbedingungen seien jedoch häufig schlecht, erzählt Rafael. In seiner Zeit in der Fleischfabrik habe er nur selten wegen Krankheit gefehlt. Danach wurde seine Arbeitszeit reduziert und er verdiente viel weniger. Außerdem würden Teile des Lohns einbehalten, sagt er, und ebenso seine Kollegin“. Abschließt Fannrich-Lautenschläger: "Die Politik der Prekarisierung sei noch nicht genug im Blick, so die Wissenschaftlerin. Mehr wisse man mittlerweile über prekäre Arbeit – auch wenn deren Protagonisten häufig unsichtbar oder unbeachtet seien".

Wenn man nachforscht und im Internet sucht, findet man mehrere dieser Zeugnisse. Harte Situationen, die an die harten Arbeitsbedingungen in britischen Fabriken zu Beginn des 19. Jahrhunderts erinnern. Seitdem sind 200 Jahre vergangen, aber die kapitalistischen Barbaren sind  dieselben geblieben, wann das möglich ist.

Über das Thema ist das Portal ILO-Berlin, der im Artikel von 12. Dezember 2020 “Das Lohngefälle bei Migranten vergrößert sich in vielen Ländern mit hohen Einkommen“ hinzufügt: „In den letzten fünf Jahren hat sich das Lohngefälle zwischen Migranten und Einheimischen in einigen Ländern mit hohem Einkommen vergrößert: In Italien zum Beispiel verdienen Arbeitsmigranten nach den neuesten Daten 30 Prozent weniger als Einheimische, verglichen mit 27 Prozent im Jahr 2015. In Portugal beträgt das Lohngefälle 29 Prozent im Vergleich zu 25 Prozent im Jahr 2015, und in Irland 21 Prozent im Vergleich zu 19 Prozent im Jahr 2015. (…) In allen Ländern stehen Migranten jedoch vor Problemen der Diskriminierung und Ausgrenzung, die durch die  COVID-19-Pandemie  verschlimmert wurden, zeigt die ILO-Studie“. Natürlich muss Deutschland zu diesen Ländern hinzugefügt werden".

Den Daten zufolge werden Wanderarbeitnehmer in hochindustrialisierten Ländern also nicht nur grundsätzlich diskriminiert, sondern diese Diskriminierung hat sich durch die Covid-Pandemiekrise noch erheblich verschärft.  Mit anderen Worten: Die "hochzivilisierten" europäischen Bosse ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, die Pandemiekrise auszunutzen, um die Einwanderer noch mehr unter Druck zu setzen und die ohnehin schon niedrigen Löhne dieser ausländischen Arbeitnehmer weiter zu senken.

Der Kapitalismus, die Kapitalisten hören nicht auf, die marxistische Analyse zu bestätigen, d.h. ihr Wesen als unersättliche, wilde Ausbeuter zu zeigen. Seien es Kapitalisten aus rückständigen Entwicklungsländern oder, wie in Europa, Kapitalisten aus hoch industrialisierten Ländern.

Gegenüber den einheimischen, gewerkschaftlich organisierten und gut zusammengeschlossenen Lohnarbeitern sind die Bosse zu Kompromissen und Zugeständnissen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen gezwungen, aber gegenüber den unorganisierten und isolierten Gastarbeitern, die extrem erpressbar sind, haben die Bosse keine Hemmungen und betreiben skrupellos und problemlos die totalste und barbarischste Ausbeutung, wobei sie diese Arbeiter mit Bestien vergleichen.    Viele glauben naiv, dass mit der "Demokratie" viele Probleme des Kapitalismus überwunden sind. Sie sind im Irrtum. Auch heute ist alles genau so, wie es Marx im "Kapital" analysiert hat. Der Unterschied in den Industrieländern besteht darin, dass es den organisierten Arbeitnehmern vor Ort mit harten Kämpfen gelingt, der Ausbeutung durch die Bosse einen größeren Widerstand entgegenzusetzen. Nur dies ändert sich. Aber für den Rest bleibt der grausame Kapitalismus mit seiner Ausbeutung, Ungerechtigkeiten, Krisen, Kriegen und Katastrophen derselbe.


Email

Visits

Social

Blog

Home